Namensforschung (=“Onomastik“) scheint sich im deutschen Raum wachsender Beliebtheit zu erfreuen. Einmal schnell gegoogelt und schon weiß man, wie viele Namensvetter Deutschland beherbergt. Landkarten veranschaulichen durch Einfärbungen zusätzlich die Dichte des Namenvorkommens. Personennamenforschung kann aber mehr als das; sie liefert wichtige Erkenntnisse linguistischer und geschichtswissenschaftlicher Art.
Wir haben aufgeführt, wie deutsche Familiennamen entstanden sind und wie man sie wissenschaftlich klassifiziert:
Entstehung der Familiennamen
Während man in China schon ca. 3000 v. Chr. über Familiennamen verfügte, wurden sie in der Türkei erst 1935 obligatorisch eingeführt. Im deutschsprachigen Raum setzte das Aufkommen der Familiennamen etwa im 12. Jahrhundert ein. Davor verfügte man lediglich über einen Vornamen, welcher nun durch einen Beinamen ergänzt wurde. Verbindlich wurden Familiennamen im deutschen Raum erst 1874 mit der Einführung des Standesamtes. Seither müssen Namensänderungen behördlich genehmigt werden.
Unterschiedlichste Faktoren beeinflussten die Entstehung der Familiennamen: Geographische und ökonomische Gegebenheiten ebenso wie soziale oder kulturelle Entwicklungen. Entscheidenden Einfluss auf das deutsche Personennamensystem hatten die regen Handelsbeziehungen zu romanischen Gebieten, die in dieser Hinsicht eine Vorreiterrolle innehatten.
Zuerst verbreitete sich die Zunamens-Praxis in den Handelszentren und erreichte später die ländlichen Gebiete. Da diese „angehängten“ Namen anfangs häufig verwendet wurden, um Besitzansprüche kenntlich zu machen, eignete sich zunächst der Adel dieses Privileg an.
Eine flächendeckende Einführung war aufgrund des enormen Bevölkerungswachstums um 1400 allerdings nicht zu vermeiden. Schließlich musste man die Einwohner der damaligen „Metropolen“ mit ihren 20.000 Einwohnern eindeutig identifizieren und so gelangten auch Hinz und Kunz zu einem Familiennamen.
Grundsätzlich kann man zwischen zwei Entstehungsszenarien unterscheiden: Zum einen können die Zunamen auf eine bewusste Schöpfung zurückgehen, zum anderen diente ein so genannter Beiname als Ausgangsposition, welcher schließlich eine gewisse Stabilität gewann und zum Familiennamen avancierte. Es handelt sich dabei um eine Art Spitzname, der eine Charakterisierung beinhaltete, so z.B. bei Friedrich („Rotbart“) Barbarossa.
Familiennamen als bewusste Schöpfung
Ein Teil unserer heutigen Familiennamen sind nicht aus einem Beinamen „gewachsen“, sondern Ergebnis bewusster Schöpfung. So wurde die jüdische Bevölkerung in Deutschland im 19. Jahrhundert zur Annahme fester Familiennamen gesetzlich gezwungen. Auf diese Weise konnte es zu geradezu poetische Schöpfungen kommen (z.B. Rosenduft). Konträr dazu sind Namen wie „Schnapser“ oder „Stinker“, die Juden teilweise von antisemitisch eingestellten Behörden aufgezwungen wurden.
Familiennamen aus Beinamen
Die Mehrheit unserer heutigen Namen hat ihren Ursprung in einem Beinamen, der den ursprünglichen Namenträger in irgendeiner Weise charakterisierte und identifizierte. Hierbei lassen sich einige Unterscheidungen treffen:
Familiennamen aus Rufnamen
Familiennamen, die aus Rufnamen entstanden sind, weisen stets auf eine familiäre Beziehung hin. Dazu wurde der väterliche oder mütterliche Rufname entweder direkt als Familiennamen übernommen oder leicht abgewandelt.
Bsp.: Der Familienname „Jüttner“ stammt vom Rufnamen „Jutta“; „Kunze“ wird von Kunz (also Konrad) abgeleitet.
Familiennamen nach der Herkunft
Sollte bei einer Person das Merkmal der Herkunft betont werden, griff man auf den Heimatort oder die Volks- oder Stammeszugehörigkeit zurück. Während man im oberdeutschen Süden zahlreiche Zunamen mit der Endung –er ausstattete griff man im Nordwesten auf die Silbe -mann zurück.
Bsp.: Der Name „Salfelder“ kommt von Saalfeld; „Harzmann“ kommt aus dem Harz.
Familiennamen nach der Wohnstätte
Ortsansässige Personen konnte man nicht nach dem Merkmal der Herkunft charakterisieren, weil sonst die Mehrzahl der Stadtbewohner über denselben Beinamen verfügt hätte. Deshalb wählte man als Kennzeichen oftmals die Wohnstätte. Dabei kam es auf die Lage der Örtlichkeit an, auf eventuelle bauliche Merkmale, Haus- und Hofnamen oder geographische Besonderheiten.
Bsp.: „Lindner“ (= an der Linde).
Familiennamen aus Berufsbezeichnungen
Familiennamen, die aus Berufsbezeichnungen entstanden sind, führen die Rangliste der Zunamen Deutschlands an. Durch das mittelalterliche Lehnswesen und das ausgeprägte Handwerk existierten recht viele unterschiedlichen Berufsbezeichnungen, die sich zudem örtlich unterschieden.
Bsp.: „Fleischer“, „Metzger“, „Schlachter“.
Familiennamen aus Übernamen
Am spannendsten, aber auch am schwierigsten zu durchschauen, sind Familiennamen, die aus Übernamen entstanden sind. Grundlegend bei dieser Kategorie sind nämlich die Motive der Benennung, die heute natürlich nicht mehr ohne weiteres nachzuvollziehen sind.
Zunächst konnte eine Benennung nach einem charakteristischen Merkmal erfolgen (z.B. „Klein“, „Fröhlich“, „Zänker“). Eine metaphorische Benennung konnte beispielsweise „Fuchs“ sein. Hier wird die Interpretation schon schwierig: So kann „Fuchs“ beispielsweise jemanden charakterisieren, der besonders gewitzt ist oder rote Haare hat. Natürlich könnte sich „Fuchs“ auch auf ein einmaliges Ereignis wie beispielsweise eine Fuchsjagd stützen. Auch Satznamen konnten als Grundlage gewählt werden, z.B. „Störtebeker (=Stürz den Becher).
Wofür das Ganze?
Für Wissenschaftler sind Familiennamen eine wahre Fundgrube an Informationen. In ihnen sind Worte erhalten, die in unserem heutigen Sprachgebrauch nicht mehr existieren (z.B. „Freiß“ (=Wüterich)) oder Aufschluss über den Wandel unserer Sprache durch die Jahrhunderte geben. Mit Hilfe von Verbreitungskarten lassen sich Rückschlüsse auf Sprachgrenzen oder berufliche Gliederungen ziehen. Sogar gesellschaftliche Einstellungen können zutage befördert werden. Ein besonders offensichtliches Beispiel bieten Zwangsbenennungen jüdischer Einzelpersonen, da Namen wie „Wanzenknicker“ auf die Haltung der Namengeber schließen lassen.
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