Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, wie geschickt Schriftsteller die Hauptfiguren ihrer Geschichten zu Wort kommen lassen? Bücher wären reichlich langweilig, wenn der Autor jeden zweiten Satz einfach nur mit „Er/Sie sagte…“ einleiten würde. Ein abwechslungsreiches Mittel, die Gedankengänge von Personen zum Ausdruck zu bringen, ist der Innere Monolog. Seine Merkmale erklären wir hier.
Innerer Monolog Merkmale
Im Grunde handelt es sich beim Inneren Monolog um einen Gedankenvorgang, der vom Autor als erzählerische Darbietungsform gebraucht wird. Er steht in der Ich-Form, wird aber im Vergleich zur herkömmlichen direkten Rede stumm abgehalten, d.h., dass anwesende Personen das Gesagte nicht wahrnehmen können.
Da der Innere Monolog den momentanen Bewusstseinsstand einer Figur widerspiegelt, ist er zeitlich in der Gegenwart verortet (Präsens) und eben dieser Person zugewiesen (1. Person Singular). Der Leser taucht auf diese Weise in die Innenwelt der Figur ein, welche nicht von einem Erzähler vermittelt wird. Es finden sich also keine Einleitungen durch einen Erzähler wie beispielsweise „Er dachte/sie dachte…“ (= so genannte „inquit-Formeln“).
Ein Beispiel:
Sie dachte über die Gemeinheit ihres Vorgesetzten nach. „Manchmal nervt er mich wirklich. Dauernd diese Kurswechsel. Er könnte sich ruhig mal entscheiden“, überlegte sie. „Vielleicht muss ich ihm mal ein Buch über Management schenken.“
Als Innerer Monolog könnte dieser Satz so lauten:
„Meine Güte, wie nervig! Diese Kurswechsel, die nerven unglaublich. Warum kann der sich eigentlich nie entscheiden? Ha, vielleicht sollte ich ihm mal ein Buch über Management schenken!“
Der Bewusstseinsstrom
Der Innere Monolog ist ein beliebtes Mittel, um zwischendurch Unmittelbarkeit zu kreieren. Reiht sich ein Gedankengang aber an den nächsten und werden diese teilweise sogar mit Gedankenfetzen oder inneren Ausrufen gespickt, liegt eine hervorgehobene Art des Inneren Monologs vor – der Bewusstseinsstrom (=“Stream of Consciousness“).
Die innere Sprache des Ichs wird vollkommen aus ihren rationalen Strukturen gelöst und in ihrer Flüchtigkeit und zum Teil auch Unzulänglichkeit abgebildet.
Obiger Satz könnte ungefähr so klingen:
„Oh, dieser Kerl! Ich fass, es nicht, ich könnte ihn…dieser nervige Typ. Und so was ist Chef! Ach Mann, jetzt kann ich alles noch mal von vorn anfangen, nur weil der nicht weiß, was er will.“ Usw.
Seine Wirkung
Der Innere Monolog erzeugt größtmögliche Unmittelbarkeit: Zwischen der Figur und dem Leser steht kein vermittelnder Erzähler. Als Rezipient wird man also Zeuge der Gefühle, Gedanken und Stimmungen der Perspektivfigur.
Zudem können auch intime Gedanken oder Lebensbereiche, die normalerweise Tabus unterliegen, zur Sprache kommen. Mit dem Inneren Monolog bietet sich dem Autor also eine exzellente Möglichkeit, dem Leser gesellschaftliche Zwänge oder sittliche Schranken der jeweiligen Epoche vor Augen zu halten.
Das Paradebeispiel für solch eine erzählerische Darbietungsform ist die Novelle „Leutnant Gustl“ von Arthur Schnitzler, die fast gänzlich als Innerer Monolog abgefasst ist. (Beim Projekt Gutenberg kann man einen Einblick in Gustls Gedankenwelt erhalten.)
Einen Inneren Monolog verfassen – wie geht das?
Seit einigen Jahren gewinnt das gestaltende Interpretieren in Schulen an Bedeutung: Der Innere Monolog hält sogar Einzug in Abituraufgaben. Wer das bloße Niederschreiben von Gedanken einer Hauptfigur für simpel hält, irrt allerdings.
Einen treffenden Inneren Monolog kann nur verfassen, wer die entsprechende Figur ganz genau kennt, ihren Standpunkt verstanden hat und daher ihre Perspektive einnehmen kann. Diese Art der Interpretation setzt darüber hinaus ein Gespür für die zeitliche und gesellschaftliche Einordnung der Handlung voraus.
Gesellschaftliche Sitten und Gebräuche spiegeln sich jedoch nicht nur im Inhaltlichen wider, sondern insbesondere auch in der Sprache der Personen. Die Wortwahl ist also ein entscheidender Faktor eines gelungenen Inneren Monologs.
Auf einen Blick:
Formales:
Der Innere Monolog ist in der Gegenwart verfasst und in Ich-Form. Er verzichtet vollkommen auf einleitende Sätze des Erzählers, sondern gibt die Gedankengänge der jeweiligen Person ohne Puffer direkt an den Leser weiter.
Zeitlicher und gesellschaftlicher Hintergrund:
Einstellungen und Gedanken spielen sich stets vor dem Hintergrund ihrer Zeit ab. Die im Monolog zum Vorschein kommenden Werte, Glaubensäußerungen, Hierarchien usw. müssen zum Umfeld passen.
Charakter:
Unverblümter und unmittelbarer als in einem Inneren Monolog tritt ein Charakter nicht zutage. Die Facetten einer Person müssen vollkommen in ihren Gedankengängen zum Tragen kommen. Es geht nicht darum, was die jeweilige Person in einer Situation womöglich sagen würde, sondern darum, was sie genau dann denkt.
Sprache:
Obgleich es sich beim Inneren Monolog um Gedanken handelt, wird doch auf den Sprachgebrauch der jeweiligen Zeit zurückgegriffen, denn schließlich denkt man in den gewohnten Satzmustern. Hinzu kommen örtliche Besonderheiten wie Dialekte oder Eigentümlichkeiten der einzelnen Figur, z.B. Sprachfehler oder ähnliches. Um starke Gefühlsregungen zum Ausdruck zu bringen eignen sich außerdem emotionale Ausrufe.
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